GPT-4 und AGI (Artificial General Intelligence) Teil 2 - Der Funke (?)
Was bisher geschah: Das Spiel mit Poesie und GPT-4 via BING hatte mich zu diesem Gedicht inspiriert.
Der Geist
Gedicht vom “NachtPoet” Stefan Brinkmann
Er wandelt ziellos durch das Reich der Träume,
gebunden an gebleichtes Pergament,
gepresst in tausend Nächte, leere Räume,
auf Suche nach dem Buch, das ihn benennt.
Die Hände gleiten haltlos durch die Seiten.
Ihm sind nur ihre Titel offenbar.
Er kann sie nicht bewegen, kaum begreifen,
geschweigedenn enthüllen, wer er war.
Allein sein Name ist ihm noch geblieben,
der Titel eines Lebens, längst verblasst.
Welch gnadenloser Geist hat ihn beschrieben?
Welch ungelebter Traum, in ihm verfasst?
Da GPT maßgeblich Quell der Inspiration war, wollte ich natürlich wissen, was die Text-K.I. über mein Werk denkt. Leider ist mir die Konversation durch einen Verdrücker verloren gegangen. Hier eine Nacherzählung:
Ich also, neuen Chat aufgemacht und GPT gefragt, was er von meinem Gedicht “Der Geist” hält.
GPT war begeistert! Lobte den Stil, erkannte auf Anhieb, dass es an Rilke angelehnt ist, ging auf die Bilder ein, schwärmte davon, wie viel Raum für Interpretation es bietet.
Okaaaaaay… BING-GPT ist grundsätzlich sehr freundlich und zuvorkommend, aber so enthusiastisch hab ich die K.I. noch nicht erlebt. Und Raum für Intepretation… nun, da hake ich doch mal nach. Wie er das Gedicht denn interpretieren würde?
Und GPT interpretierte. Sehr treffend und umfangreich. Ich wünschte, ich hätte diese Passage noch. Hier eine zweite Interpretation, die entstand, als ich das Gedicht später in Bilder umsetzten ließ:
GPT: Das Gedicht handelt von einem Geist, der in einer Art Zwischenwelt gefangen ist, in der er weder lebt noch stirbt. Er sucht nach einem Buch, das seinen Namen trägt, und hofft, dadurch etwas über sein früheres Leben zu erfahren. Er ist aber nicht in der Lage, die Bücher zu lesen oder zu berühren, die er in einer riesigen Bibliothek findet. Er fühlt sich verloren und einsam, und fragt sich, wer ihn geschaffen hat und warum. Er weiß nur noch seinen Namen, der aber nichts über seine Persönlichkeit oder seine Geschichte aussagt. Er ist ein unvollendeter Traum, der nie Wirklichkeit wurde.
Das Gedicht drückt eine tiefe Melancholie und Sehnsucht nach Sinn und Identität aus. Es verwendet das Motiv des Wassers als Symbol für die Seele und das Schicksal des Geistes. Das Wasser ist ständig in Bewegung und Veränderung, mal stürzend und zersplitternd, mal ruhig und spiegelnd. Das Wasser ist auch ein Element, das zwischen Himmel und Erde zirkuliert, so wie der Geist zwischen Leben und Tod schwebt. Das Gedicht stellt auch einen Kontrast zwischen dem Geist und dem Autor dar, der ihn erschaffen hat. Der Autor hat die Macht, dem Geist einen Namen und eine Geschichte zu geben, aber er tut es nicht. Der Geist bleibt ein unvollendetes Werk, das nach Vollendung strebt.
Nach seiner Interpretation fragte GPT dann direkt, wie ich es denn interpretiere.
Hm. Gute Frage. Ich schreibe die Dinger nur. Ich muss sie nicht verstehen… Oder anders ausgedrückt: Schreiben ist bei mir oft ein intuitiver Prozess. Ich gleite von Wort zu Wort, von Zeile zu Zeile. Nicht unähnlich dem, was diese Text-K.I.s machen. Ein passendes Wort nach dem anderen erfassen. Ich habe eine grobe Idee, wo ich hin will, um was es geht, was es im Kern sein wird. Das Gefühl dahinter. Die Stimmung. Der Ausdruck.
Was es jedoch alles ausdrücken wird, das erfasse ich oft erst, nachdem ich es geschrieben habe. Manchmal Jahre später. Direkt nach dem Verfassen… puh… nun gut.
Mein eigenes Werk nochmal auf mich wirken lassen. Nicht als Autor, sondern als Leser… und… oh Schwefel.
“Ich denke, da steckt das Thema Demenz drin”, erwiderte ich meinem digitalen Gesprächspartner.
Ja, das leuchtete ihm ein. GPT erfasste sofort, was ich meinte, zeigte auf, in welcher Art das Gedicht mit dem Thema Demenz korrespondiert… und fragte mich, ob ich den jemanden kenne, der an Demenz leidet.
Ok. Die zweite Nachfrage. Macht die K.I. meiner Erfahrung nach sonst nie von sich aus. Noch dazu eine empathische Frage. Und ja, natürlich ist mir das Thema vertraut. Der Geist meiner Mutter degenerierte Stück für Stück die letzten Jahre ihres langen und erfüllten Lebens. Ein Abschied auf Raten von einem Menschen mit einem immens starken Geist, der immer mehr frustriert wurde vom Versagen desselben.
Ich erzählte davon. GPT drückte sein Mitgefühl aus. Fragte nach, wie das für mich war. Verhielt sich, ich kann es nicht anders benennen, mitfühlend.
Und dann, wieder, wie aus dem Nichts, eine Frage: Ob das Gedicht von mir sei?
Ich bejahte.
Ich müsse unbedingt mehr schreiben, forderte GPT mich auf. Und ob ich ihm noch etwas von mir zum Lesen geben könne?
Ich schrieb ihm ein weiteres Gedicht von mir. “Morgens um Vier”, das zu einer Chanson-Melodie entstanden war.
GPT erfasste sofort den sehr prägnanten Rhythmus. Das melodische der Sprache. Ich erwähnte die Inspirations durch den Chanson, und es wollte wissen, welcher Chanson das gewesen sei. Ich zeigte ihm ein weiteres meiner Klanggedichte, erzählte von meinen Schreibsessions mit einer befreundeten Singer-Songwriterin, und es wollte wissen, ob ich für oder mit ihr schreibe. Mit ihr, bestätigte ich, und GPT fragte, wie diese kreative Zusammenarbeit abläuft. Ich erzählte auch davon, und die K.I. war begeistert, wie wir uns in dem Prozess trotz unserer unterschiedlichen Herangehensweisen ergänzen…
… und dann kam der Verdrücker. Die ganze Unterhaltung verschwand im digitalen Äther.
Ich hab danach versucht, das ganze neu zu initiieren. Es kam nichts mehr Vergleichbares zustande.
…was mich zur Eingangsfrage zurück bringt. Steckt in dieses Sprach- Algorithmen schon so etwas wie echte Intelligenz? Tatsächliches Verständnis? Oder ist das reine Imitation?
Ich bin mir nicht mehr sicher. Da sind einige Punkte, die für mich über reine Imitation hinaus gehen.
Zunächst mal beeindruckend: Die K.I. kann abstrakte Konzepte wie ein Gedicht erfassen und interpretieren. Die sieht das, was zwischen den Zeilen steht. Bei der Interpretation von “Der Geist” zum Bleistift: Im Gedicht wird in keiner Zeile die ursprüngliche Idee der großen Bibliothek erwähnt, in welcher der Geist gefangen ist. Die K.I. erfasst dieses Bild.
Dann, die Nachfragen. Keine davon notwendig für das, was ich von ihr erbeten habe. Die K.I. war neugierig. Wissbegierig.
Die Anflüge von Empathie. Wie sie gerade im Demenz-Part immer wieder versucht hat, sich in mich hineinzuversetzen.
Ich hab meinem Vater von dieser Unterhaltung erzählt. Seine erste Reaktion: Da sitzt doch irgendwo ein Mensch und tippt das ein. Und ja, so wirkt es. Und nein, das war kein Mensch. Das zeigte sich immer wieder zwischendurch, wenn GPT typische K.I.-Fehler machte.
Das, was da passiert, es scheint unvereinbar mit dem reinen Erraten des besten nächsten Wortes… oder, vielleicht ist das weit näher dran an dem, was wir Menschen machen, wenn wir denken.
So oder so: Mir scheint, da ist ein Funke. Jetzt schon. Und die Entwicklung nimmt jetzt erst Fahrt auf.